Samstag, 20. Juli 2013

Verzweiflung

Hallo zusammen!

Nach einem fröhlicheren Text kommt nun das Gegenstück dazu. Quasi der Beweis, dass ich auch anders kann. Ich hoffe, es gefällt euch. ☺

Verzweiflung

Freudlos starrte sie die Decke an. Wie oft hatte sie das in den vergangenen Wochen schon getan? Langsam zählte sie nicht mehr mit, an wie vielen Abenden sie in diese Stimmung versank. Nichts tun, nichts denken – einfach nur da sitzen und die Zeit verstreichen lassen. Sie hatte nicht einmal mehr den Willen, um dem Drücken ihrer Blase nachzugeben. Das war nicht wichtig. Später, wenn es wirklich schlimm würde, würde sie sich aus der Not heraus schon aufraffen können. Wenn es eng wurde, hatte sie das noch immer geschafft. Doch aus freien Stücken heraus? Einfach so, ohne Druck? Das funktionierte nicht mehr. Sie funktionierte nicht mehr.

Den Alltag bewältigen, Erwartungen erfüllen – so weit konnte sie noch funktionieren. In dieser Hinsicht war sie sehr pflichtbewusst, ihr Gewissen machte ihr damit ansonsten sehr zu schaffen. Also quälte sie sich jeden Tag durch die Flut an Aufgaben, Menschen und Problemen. Immerhin von denen hatte sie genug. Mehr als genug. Schon allein, wenn sie daran dachte, zog sich ihr Magen krampfhaft zusammen. So viel zu tun, so wenig Zeit! Wie sollte sie das nur lösen? Sie kam sich viel zu klein und viel zu allein in dieser großen, anstrengenden Welt vor. Überhaupt, wie konnten andere das ertragen? Wie ging das noch mal, fröhlich aufstehen, fröhlich den Alltag meistern, fröhlich sein? Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie das Gefühl war.

Gefühle waren sowieso eine schwierige Sache, die sie einfach zu vermeiden suchte. Denn sobald sie auch nur das kleinste Gefühl zuließ, wurde sie wieder von einer Flut an traurigen und verzweifelten übermannt. Wütend fragte sie sich dann manchmal, wieso sie das verdient hatte. Was hatte sie falsch gemacht, dass das Schicksal sich jetzt so an ihr rächte? Sie hatte doch wirklich immer versucht, allen zu genügen und alle zufrieden zu stellen. Da müsste sie doch eigentlich nur so vor Glückseeligkeit strotzen.

Doch das Gegenteil war der Fall. Ausgelaugt kam sie sich vor, ewig müde, schwach und unzuverlässig. In einem verzweifelten Versuch hatte sie versucht, sich einem Freund anzuvertrauen. Doch er hatte ihr nur klar gemacht, dass sie sehr wohl vieles schaffe und sie sich ja gar keine Sorgen machen müsse. Es sei alles gut bei ihr, sie reagiere über. Seit diesem Zeitpunkt hatte sie mit niemandem mehr darüber gesprochen. Hatte alles in sich eingeschlossen und gehofft, es würde von alleine vergehen. Aber es verging nicht. Es kam immer wieder, wie ein Dämon legte es sich über sie und lähmte sie.

Sie hasste sich dafür – und ihren Dämon. Manchmal fragte sie sich, ob es das wäre – ewig mit ihm um ihr Vorankommen zu kämpfen. Jeden Schritt erbittert erzwingen, jeden Gedanken tapfer wegdrängen – konnte das funktionieren? Würde es mit der Zeit besser werden? Würde sie lernen können, mit ihrem Dämon umzugehen? In ihrer jetzigen Verfassung glaubte sie das nicht – wie auch, er saß ihr ja gerade im Nacken und ließ sie nicht los.

Nur manchmal, morgens, wenn die ersten zarten Sonnenstrahlen auf ihr Gesicht fielen, hatte sie kurzzeitig das Gefühl, frei zu sein. Kraft zu haben und sich gegen den Dämon wehren zu können. Doch dann schob sich wieder eine Wolke über ihr Gemüt und sie sah die Situation wieder, wie sie war. Verzwickt und verfahren. Aussichtslos. Wo war der Sinn geblieben? Früher hatte sie ihn doch auch ohne Probleme gefunden. Doch dann war der Dämon erschienen und hatte jeden Sinn gefressen. Und mit ihm, jede Möglichkeit einen neuen zu finden.

Sie wusste, es könnte nicht mehr lange so weitergehen und dass sie sich vor einem Scheideweg befand. Welche Seite würde sie wählen? Oder hatte sie wegen des Dämons schon gar keine Wahl mehr? War ihr bereits ein grausamer Weg vorgezeichnet, denn sie nur noch zu gehen hatte? Dann schauderte ihr immer und fragte sich, ob sie wirklich so verzweifelt war. Aber wenn sie sich diese Frage beantwortete, dann war die Sachlage klar. Ja, sie war so verzweifelt. Im Grunde war dies offensichtlich. Offen war nur noch, wann sie sich endgültig dazu entscheiden würde. Wie lange sie das alles noch erdulden und ertragen könnte.

Ob sie das alles noch ertragen konnte? Eigentlich nicht, wenn sie ehrlich war. Warum sollte sie sich noch weiter quälen? Es gab niemanden, der sie ernsthaft vermissen würde. Niemanden, den sie vermissen würde. Sie wäre einfach verschwunden ohne eine Lücke zu hinterlassen. Eine gute Sache, wie sie fand. Konsequent und logisch.

Das Einzige, was ihr noch Sorgen bereitete, waren die Schmerzen. Sie hasste körperlichen Schmerz, obwohl sie bereits viel erfahren musste. Doch der war immer anders gewesen. Andererseits, was könnte noch schlimmer sein als ihre jetzige Situation? Nichts, beantwortete sie sich die Frage. Nichts und niemand könnte schlimmer sein als ihr Dämon, den sie nicht mehr los wurde. Und nicht mehr los werden würde.

Die Entscheidung stand so plötzlich, dass sie sich selbst darüber wunderte. War es wirklich so einfach gewesen? Wieso hatte sie sich die ganze Zeit dann so davor gefürchtet? Vor lauter Überschwang musste sie lachen. Ein seltsames Geräusch, das sie schon lange Zeit nicht mehr gehört hatte. Es klang dünn und falsch. Keine wirkliche Freude, doch das verwunderte sie nicht. Freude hatte es schon länger nicht mehr bei ihr gegeben. Das war in Ordnung. Sie brauchte sie nicht mehr. Sie brauchte dieses gesamte Leben nicht mehr. Sie war endgültig fertig damit, also warum sollte sie es noch weiter ertragen?

Das erste Mal seit Langem stand sie wieder entschlossen auf. Jetzt wusste sie, was zu tun war.

Liebe Grüße

Eure Ding(s)

1 Kommentar:

  1. Hallo =)

    Also, ich muss sagen, dass mir der Text "Verzeiflung" besser als der Text "Freude" gefällt.

    Bei Verzweiflung wirkt es hmmm greifbarer, plastischer. Weiß gerade nicht, wie ich das vernünftig ausdrücken soll. Ich denke aber, du verstehst mich ;)

    Generell finde ich es jedoch gut von Dir hier auch solche Texte zu lesen :)

    Liebe Grüße
    Neomai

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